Ich mag ja Sachen, die mit minimalem Aufwand maximale Wirkung erzielen. Push-ups. Mascara. Simulierte Weinkrämpfe vor uneinsichtigen Männern. (Letztere habe ich natürlich NIE wirklich angewandt *hüstel*).
Vielleicht hat es mir deshalb immer schon widerstrebt, im Fitness-Studio den Fettverbrennungs-Gurus Gehör zu schenken, die mir erklären, ich müsse 45 Minuten albern auf dem Laufband rumturnen, bevor die Fettverbrennung überhaupt EINSETZT. Plus nachfolgendes, anderthalbstündiges Gerätetraining, versteht sich. Och nööö.
Da kommt es mir doch ganz gelegen, dass sich meine Prioritäten in den letzten Jahren etwas verschoben haben. Natürlich finde ich die Cellulite an meinen Oberschenkeln nach wie vor scheiße. Klar trotzen meine Pobacken nicht der Schwerkraft. Natürlich sehen meine Oberarme teigig aus, und ich vermeide es tunlichst, in ärmellosen Outfits allzu heftig zu winken. Das alles aber verschwindet hinter einem ganz anderen Problem: Schmerzen. Rückenschmerzen, Nackenschmerzen, Schulterschmerzen. Irgendwas da hinten tut IMMER weh. Mal nur ein bisschen. Nach 3 Tagen in der Agentur am Rechner ein bisschen mehr. Und das in letzter Zeit immerhin oft genug, um den Entschluss zu fassen: Ich muss mal was machen.
„Kieser-Training!“ sagt ein ehemaliger, deutlich jüngerer Kollege, dem ich mein Leid klage, „da geh ich mit der Anna hin, das hilft echt.“ Aha. Kieser-Training stand bisher bei mir gedanklich in einer Ecke mit Stützstrümpfen, Badewannen-Einstiegshilfen und jammernden Bandscheiben-Geschädigten. Mit anderen Worten: UNSEXY.
„Das Coole ist, da musst Du nur zwei mal die Woche für eine halbe Stunde hin, dann hilft das schon.“ Ui. Jetzt bin ich hellhörig geworden. Das klingt gut. Ganz anders als „Du musst einfach nur JEDEN TAG Yoga machen, eine Stunde, dann geht das bald wieder mit den Rückenschmerzen.“ (Ich mag Yoga, wirklich. Aber ich habe nicht jeden Tag eine Stunde Zeit.)
Kurz darauf bietet Tchibo einen Gutschein an: Einen Monat Training, Rückenanalyse, ärztliche Beratung. Alles im Gesamtwert von ca. 100 Euro – für 40 Euro. Also gut. Ich besorge den Gutschein und kriege es sogar kurz vor Ablauf der Gültigkeit hin, einen ersten Termin zu vereinbaren. Das Kieser-Studio liegt in Düsseldorf etwas versteckt in einem Hinterhof, zusammen mit dem Eingang zu einem von Düsseldorfs exklusivsten Bordellen („Schatz, ich bin dann mal beim Kieser-Training...“ – sehr clever!), einem Getränkeshop und der Tierarztpraxis Dr. Schaaff (kein Witz). Das Logo ist leuchtend gelb mit ein bisschen blau, der Schriftzug pragmatisch und sehr gerade. Könnte auch ein Industrieunternehmen sein. Und tatsächlich: Im ersten Moment hat man den Eindruck, in einer Werkshalle gelandet zu sein.
Alles ist grau. Die Maschinen sind grau und riesig und dominieren alles. Die Decken sind graue, gelochte Metallbretter, die Spinde sind riesige Ungetüme aus grauem Alu, und dann stehen da drei ... sind das Sauerstofftanks?! Oh Gott. Erst auf den zweiten Blick kann man erkennen, dass es sich um Duschen handelt. Riesige Metallzylinder mit Schiebetür. Ich ziehe mich um und gehe zurück zu den Monstermaschinen. Knapp die Hälfte davon ist von Menschen besetzt, die alle die gleiche Haarfarbe haben: Grau. Ich habe wenig Zeit, mich weiter zu wundern, weil die Trainerin anfängt, meinen Bogen mit mir durchzugehen. „Sie haben also Rückenschmerzen?“ „Ja.“ „Wie oft?“ „Immer.“ „Ah ja.“
Die erste Maschine kenne ich aus dem Fitness-Studio: Sie trainiert die Oberschenkelmuskulatur. Interessanterweise muss ich mich auf diesem Gerät anschnallen, damit der Hintern auch ja in der richtigen Position und die Übung effektiv bleibt. „Es ist wichtig, die gesamte Muskulatur zu stärken, um den Rücken zu stützen.“ erklärt mir die Trainerin. Umso besser, denke ich, und drehe den Cellulite-Dellen in Geiste eine lange Nase. Das zweite Gerät trainiert die Bauchmuskeln. Nach drei Wiederholungen zittert mein kompletter Oberkörper so stark, dass die Trainerin noch einmal an den Einstellungen herumfummelt. Danach geht es leichter. Auch die folgenden Übungen gehen gut – und vor allem schnell vorbei. Maximal 90 Sekunden auf einer Maschine. Das gefällt mir. In den jeweils 90 Sekunden Übungszeit gucke ich mich um und registriere:
1) Die Ruhe. Keine durchdringende Techno-Musik, keine grunzenden Machos, die auf der Hantelbank Gewichte stemmen und sie mit einem lauten Klönnnng wieder ticken lassen. Niemand schlürft geräuschvoll Eiweiß-Shakes.
2) Die angenehme Atmosphäre. Keiner nimmt groß Notiz vom anderen. Keine Mädels im hautengen Venice Beach Outfit auf der Suche nach männlichem Anschluss. Alle ziehen konzentriert und in sich versunken ihre Übungen durch.
Angenehm, eigentlich! Nachdem wir alle Maschinen durch haben, nehmen wir an einem Tischchen Platz. Die Trainerin schiebt mir eine Grafik hin, unterteilt in drei Bereiche. „Wie schätzen Sie Ihre Kraft denn ein?“, fragt sie mich. "Och", sage ich kleinlaut, "irgendwo da im unteren Drittel. Sie haben mich ja selbst an den Geräten gesehen, da können Sie das doch bestimmt beurteilen." "Naja," sagt sie. "am Anfang hab ich Ihnen die Gewichte gegeben, die für junge Frauen Ihres Alters empfohlen werden. Nach der Bauchübung hab ich das mal abgeändert."
Okay, das war deutlich. Meine Haare mögen noch blond sein, meine Muskulatur entspricht offenbar der einer Seniorin. Das kann meine Zuversicht allerdings gerade nicht trüben. „Sehen Sie’s mal so", tröstet mich denn auch die Trainerin, "Sie haben ganz viel Spielraum nach oben!"
Guter Dinge verlasse ich das Studio. Vielleicht werden meine Pobacken nie wieder in einen Status kommen, der einen Job im nebenan vertretenen Gewerbe rechtfertigen würde. Aber im Kampf gegen die Rückenschmerzen habe ich einen großen, grauen Schritt getan....

P.S: Kieser. So duscht man heute. :0)