Die Frage sollte oft eher lauten: Will man das essen?
Auf meinen Wanderungen fragen die Teilnehmer immer, wie der Tee des aktuellen Kräutleins dosiert werden muss. Das ist ganz einfach, in der Regel in der Standarddosis und das ist seit Urzeiten eine Prise (was man zwischen drei Finger bekommt) auf eine Tasse, dreimal täglich. Diese Art der Zubereitung haben wir noch von den Kelten und sie hat einen nicht zu übersehenden kultischen Hauch, einen magischen Hintergund (STORL; 2000).
Die Dosis passt auf alles, was wir verwenden. Mit Betonung auf: Was WIR verwenden. Natürlich gibt es Kräuter, die maßvoller genutzt werden sollten. Aber die sogenannten „Mite-Kräuter„, also sanfte, nahezu nebenwirkungsfreie Kräuter wie Kamille und Pfefferminz können problemlos Dosierungsabweichungen von 300 % haben, ohne das was passiert. Versuchen Sie das mal mit herkömmlicher Arznei.
Ich halte nichts von standardisierter Arznei, schließlich haben wir keine standardisierten Menschen. Aber allein diese Diskussion würde diesen Blog sprengen.
Die nächste Frage, die meist kommt: Also erst trocknen, dann eine Prise?
Nein, mitnichten! Getrocknet werden Kräuter nur für den Vorrat! Frisch ist besser, oder trocknen Sie Ihren Salat vorm Essen? Beim Trocknungsprozess geht viel verloren, Aroma und Wirkstoffe. Über ein Jahr verschwinden etwa 30 %. Darum kann es gut sein, dass der FRISCHE Kräutertee aus Ihrem Garten dem Arzneitee überlegen ist, obwohl das Pflänzlein nicht in optimaler Lage im Süden gezogen wurde.
Melisse verträgt das Trocknen sehr schlecht. Probieren Sie den Unterschied einmal aus!
Noch größer werden die Augen, wenn ich das Kraut an Ort und Stelle einfach pur esse… da müsse man doch einen Tee draus machen. Nein – müssen Sie nicht. Ganz optimal wäre wirklich das frische Kraut. Denken Sie wieder an das Salatbeispiel. Die Hitze ist nun mal nachteilig für ätherische Öle und Vitamine.
Darum essen Sie die gut Essbaren lieber. Öfter mal ein Blättchen Spitzwegerich oder Löwenzahn beim Spazierengehen oder Unkrautjäten ist sehr gesund! Spitzwegerich ist ohnehin heikel zu trocknen. Entweder braucht er lange und verdirbt dabei leicht, oder er hat einen ihm eigenen wichtigen Wirkstoff verloren. Der erhält sich nur bei schneller Trocknung. Spitzwegerich also im Erdkammersirup verwenden, trocknen, wenn man geeignete Apparaturen dafür hat, oder eben aus der Apotheke holen.
Bei aller Liebe, auch wenn in Ihrer Brust ein Kräuterhexenherz schlägt, es ist absolut in Ordnung und oft auch anzuraten, ein Kraut aus der Apotheke zu holen. Wenn Sie sich bei der Identifizierung nicht sicher sind, oder keine unbelasteten Sammelgründe finden, sollte das obligat sein.
„Du spielst mit dem Feuer“, sagte mir neulich eine Freundin. Da musste ich erst einmal lange drüber nachdenken. Aber Sie hat Recht. Natürlich kann man auch gegen jedes Kräutlein eine Allergie entwickeln und manch einer mag mir die Schuld geben. Man kann sie falsch dosieren und anwenden, oder täglich über Jahre trinken… Ich weise zwar immer darauf hin, dass die Kräuter (auch Pfefferminztee) sich nicht als Haustee eignen (mit wenigen Ausnahmen), aber weiß das einer nach Jahren noch?
Auf einer Wanderung entdeckte eine Teilnehmerin den giftigen Hahnenfuss und kam freundesstrahlend damit an. Sie hätten den als Kinder schon immer gesammelt und Tee draus gemacht. Ich wies auf seine Giftigkeit hin und dachte, die Angelegenheit wäre erledigt. Wieder kam die Teilnehmerin auf mich zu und beharrte darauf, dass diese Pflanze als „Butterblume“ in der Familie zu Tee aufgebrüht wurde.
Nun gut, „Butterblume“ mag sein. Im Volksmund wurde viel so benannt. Und tatsächlich ist nicht jede giftige Pflanze gleich tödlich. Und wir sind nicht standardisiert: Manch einer verträgt mehr als der andere. Einige sind eben schwach giftig und verursachen bei Menschen vielleicht nur eine leichte Übelkeit. Wie auch immer. Ich beharrte darauf, dass der Hahnenfuss giftig und nicht zu verwerten sei, sie bestand darauf, dass er verzehrbar wäre. Etwas ungehalten sagte ich dann: Für „Erbensuppe“ vielleicht. Wie bitte – „Erbensuppe“? Wieso Erbensuppe? Naja, die servier ich dem, den ich beerben will…
Ja, ich spielte mit dem Feuer. Ich bemerkte erst etwas später, dass einige fleißig mitschrieben und eine Teilnehmerin sogar fragte: „Kann man das nachweisen?“ Mannomann… ich hab mich reizen lassen. Eilig sagte ich: „Ja, das ist leicht nachzuweisen!“ Obwohl ich das definitiv nicht weiß. Ich glaube sogar, dass dieser kleine Hahnenfuss, den wir da hatten, nicht mehr als übles Erbrechen und Magenkrämpfe auslöst, aber egal. Ich wußte NICHT, ob die Teilnehmerin aus reinem Interesse, Spaß, oder mit ernstem Hintergrund fragte…
Um es noch einmal deutlich zu machen: Ich denke heutzutage kann man fast alles nachweisen. Was meiner Meinung nach unter die Rubrik „fast“ fällt, werde ich nicht kundtun. Wenn man allerdings einmal erlebt hat, wie schnell und leicht ein Totenschein ausgefüllt wird, ahnt man, das Serien wie „CSI“ in Deutschland noch reine Fiktion sind. Es sei denn, man hat ein prominentes Opfer oder ein Schlachtfeld hinterlassen.
Große Güte… in was für Themen man doch rutschen kann!
Wenden wir uns von den schweren Zwischenfällen ab, die passieren könnten. Wenn die unter meiner Kräuterführung auftreten sollten, könnte ich den Job an den Nagel hängen, den mir die Staatsanwaltschaft für fahrlässige Tötung oder Körperverletzung in der Zelle bereit halten würde. Darum werde ich potentiell gefährliche Kräuter auch nie besprechen. Nur so weit, dass man sie erkennt und meidet. Auf Wirkung und Nachweisbarkeit werde ich mit Sicherheit nicht eingehen. Mit so einer Intention brauchen Sie mich nicht zu kontaktieren…
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Aber sogar mit den gängigen Kräutlein kann man viel erleben. Mein Tipp: stecken Sie nicht gleich alles in den Mund. Ich habe vor ein paar Jahren mal die Parakresse angepflanzt. Aus Neugier. Ich hatte eine kleine Handvoll Rezepte mit diesem Würzkräutlein, dass die Eingeborenen auch gegen Zahnschmerz verwenden. Die Kresse sollte ähnlich wie normale zu verwenden sein. Das Pflänzlein sah niedlich aus, die Blüten wie kleine dicke Hummeln. Da ich nicht unbedingt so auf „scharf“ stehe, bot ich meinem Mann eine Blüte an. Wenn Sie Wert auf Ihre Ehe legen, sollten Sie so etwas lieber nicht tun. Mein Mann, die gute Seele, nahm also eine Blüte und kaute…
„memee zunme iga tub….“
„Wie bitte?“
mmme zujng i taaaaaaaaaabbbb!“
Himmel! Ja, ich sah es! Der gestammelte Schrei hieß: „Meine Zunge ist ganz taub!“ Der gesamte Mundraum meines Göttergatten war betäubt (gegen Zahnschmerz – aha!), die Zunge hing raus, wie bei diesem Jar Jar Binks, dieser komischen kleinen Figur aus den Star Wars Filmen (nachdem sie am Auspuff geleckt hat) und der Speichel floss unaufhaltsam.
Dem Gestammel entnahm ich, dass er mittlerweile gar nichts mehr spürte… und ich, ich muss es zu meiner Schande gestehen, krümmte mich vor Lachen, ob dieses abstrusen Anblickes. Er tat mir aufrichtig leid, wirklich, aufrichtig, aber der Anblick…
Meine Familie ist seit der Zeit etwas zögerlicher, wenn ich gekocht habe…
Sie sehen, wenn Sie schon mit neuen Kräutern experimentieren, auch mit eindeutig harmlosen, seien Sie selbst die Versuchsperson. Aktionen dieser Art hält kaum eine Ehe aus. Mein Mann hatte glücklicher Weise genug Vertrauen, dass er keine Angst bei der Reaktion hatte. Es hätte aber auch anders kommen können und ja – er probiert auch heute noch, wenn ich ihm was Neues anbiete. Die betäubende, speicheltreibende Wirkung ließ nach einer halben Stunde nach. Er hat, wie gesagt, nur eine Blüte genommen. Die Parakresse ist immer noch als Gewürzkraut zu haben. Gering dosiert oder im Gemisch mag die Wirkung eine andere sein. Wir haben es nicht mehr ausprobiert. Machen Sie das jetzt auch nicht aus Spaß nach. Die Reaktion kann schon beängstigend sein, wenn man nicht mit etwas Bösem rechnet.
Wenn Sie ein taugliches Rezept mit der Kresse haben, lassen Sie es mich gern wissen. Es interessiert mich schon. Allerdings sind mir die Freiwilligen ausgegangen. Jetzt dämmert mir allmählich, warum mein Mann angefangen hat, uns zu bekochen…
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