Donnerstag, November 16, 2006

Mr. Neoliberalism is Dead

Manche behaupten ja, Punk sei tot. Dass jedoch zumindest der Post-Punk quicklebendig ist, zeigt die Münchner Ausstellung The Secret Public im Kunstverein, die noch eine Woche zu sehen ist.

Gestorben ist aber jemand anders, der Antipode des Punk sozusagen. Mr. Neoliberalismus himself, Milton Friedman. Im stolzen Alter von 94 Jahren. Friedman hat die neoliberalen Reformen sowohl von Maggie Thatcher - ein Video mit ihr läuft auch in der oben genannten Ausstellung - wie auch von Ronald Reagan maßgeblich mit beeinflusst. Und wir dürfen es bis heute ausbaden.

Vielleicht bedeutet der Tod Friedmans ja aber auch, dass nun die Zeit reif ist für Neo-Post-Keynesianer - oder für ganz was Neues. Das wäre auch ne Idee.

Unter dem Aspekt einer synchronistischen Betrachtung ist das zeitliche Zusammentreffen von Friedmans Tod mit einer anderen unerhörten Begebenheit denkwürdig: O. J. Simpson hat in den USA ein Buch veröffentlicht. Soweit, so wenig ungewöhnlich. Man hatte von dem Ex-Footballstar seit seinem Prozess vor zwölf Jahren wenig bis nichts gehört. Vielleicht brauchte er einfach ein wenig Geld und Aufmerksamkeit. Das soll ja selbst manchem Altbundeskanzler nach deutlich kürzerer Zeitspanne so gehen. Allerdings - Mr. Simpson schreibt ein Buch mit dem Titel "If I Did It, Here's How It Happened". - Wie geschmacklos kann ein einziger Mensch eigentlich sein? Oder begründet er ein neues Textgenre? Snuff-Autobiografie? Irgendwie sehr eklig.

Und dann gibt es noch einen anderen gefallenen Sünder, der heute Schlagzeilen machte, der mir deutlich besser gefällt als Mr. Simpson. Nämlich der aus Sambia stammende Erzbischof Emmanuel Milingo. Dieser Bad Boy der katholischen Kirche rappt nicht nur und weiht verheiratete Priester zu Bischöfen, sondern ist nebenher auch noch in der klassischen Profession des Exorzisten tätig. Dafür wurde er dann auch exkommuniziert. Soweit so vorhersehbar.
Merken werden wir uns jedoch die Formulierung seines Schreibens an den Heiligen Vater (man weiß ja nicht, ob solche Formulierungshilfen einem nicht mal selbst nützlich sein könnten bei Kündigungen oder Rausschmissen jeder Art, vielleicht auch mal fürs Finanzamt). Erzbischof Milingo schreibt also an Papst Benedikt: "Wir akzeptieren die Exkommunikation nicht und senden sie liebevoll an unseren geliebten Heiligen Vater zurück, damit er sie überdenke."

Liebevolles Nicht-Akzeptieren! Danke katholische Kirche! Danke Mr. Milingo! Das hätte selbst Bartleby nicht besser formulieren können.

Mittwoch, September 27, 2006

Im Anschluss besteht die Möglichkeit zu einem gemeinsamen Imbiss.

Auf geht's, sein Sie dabei, hier tanzt der Bär, hier geht's rund, hier ist der Spass zu Hause... Deutschland im Vollrausch. Nicht nur wegen des Oktoberfests oder der Prosecco-Cola schlürfenden, Kettenkarussell fahrenden, Gold-Dirndl tragenden Frau Hilton. Nein, auch die Frau Harms in Berlin sorgt für Volksfestlaune, weil sie den "Idomeneo" einfach vom Spielplan streicht. Da hat sie wohl was falsch verstanden, als sie einen Anruf erhielt, in dem sie auf die "allgemeine Gefährdungslage" aufmerksam gemacht wurde. Oder aber sie war so richtig clever und nutzt die Post-Papst-Islam-Debatten-Phase ganz geschickt für eine erstklassige Marketingkampagne. Wenn der Idomeneo dann so um Weihnachten herum wieder auf dem Spielplan stehen sollte, dürften ausverkaufte Vorstellungen so sicher sein wie das Amen in der Kirche.

Aufmerksamkeitsökonomisch hat sie die Entscheidung jedenfalls optimal platziert, nämlich am Vorabend der großangekündigten Islam-Konferenz, zu der Herr Schäuble gebeten hat. Der wollte superfreundlich den Dialog mit Vertreter/innen islamischer Gemeinden sowie einzelnen, handverlesenen Islamkritiker/innen suchen und bat deshalb im Anschluss an die Zusammenkunft zu einem gemeinsamen Imbiss.

Bisschen blöd dabei ist, dass das Treffen um die Mittagszeit angesetzt war und wir uns gerade im Ramadan befinden. Da dürfen gläubige Muslims und Muslimas erst nach Sonnenuntergang wieder feste wie flüssige Nahrung zu sich nehmen. - Ist das wirklich niemandem in der Vorbereitung aufgefallen? Ein gemeinsames Fastenbrechen am Abend hätte da ein ganz anderes Zeichen setzen können. Würde der Herr Steinmeier die Frau Livni und den Herrn Olmert auch zu Muschelsuppe und Schweinebraten einladen und anschließend ein leckeres Sahneeis spendieren? Oder dem Herrn Bush zur Begrüßung einen doppelten Wodka reichen?

Wer hätte das gedacht, aber der Vatikan scheint islamischen Geboten mehr Respekt entgegenzubringen als der deutsche Innenminister seinen Landsleuten. Als der Papst die diplomatischen Vertreter aus mehr als 20 Nationen zu sich bat, gab es in Rücksicht auf den Ramadan nichts zu essen und nichts zu trinken und auch Benedikt XVI. verzichtete auf das obligatorische Wasserglas des Redenden und hielt seine Rede kurz.

P.S.
Nein, das habe ich nicht erfunden! Das meldet eben Spiegel Online. Nachdem es mit dem Imbiss im Anschluss an die Islam-Konferenz ja nicht geklappt hat, hatten die Teilnehmer jetzt eine andere schöne Idee: sie sprachen sich gegen die Absetzung der Mozart-Oper aus und wollen sich die Idomeneo-Aufführung gemeinsam ansehen.

Donnerstag, September 21, 2006

Enttäuscht

Na, das war wohl nichts außer 1A PR-Schaumschlägerei.
Das ausgefeilte sich aus dem Weg gehen von Bush und Ahmadinedschad bei der UN-General Assembly hat zwar einen Sonderpreis verdient und nährt die Vermutung, dass es sich bei den beiden tatächlich um Mr Hyde und Dr Hyde handelt, also um zwei gleichermaßen dunkle Seiten derselben Medaille. Aber ansonsten - enttäuschend!!

Wer hätte aber auch damit gerechnet, dass plötzlich alle Blicke auf den weggeputschten und machtenthobenen Thaksin gerichtet sind und nicht auf den Showdown der beiden Dark Vader Ikonen?

Der Sonderpreis als Stand-up Comedian geht an an Hugo Chavez für seine leidenschaftliche Rede vor der UN inklusive des freundlichen Lektürehinweises mal wieder zu Chomsky zu greifen.

Dienstag, September 19, 2006

Endlich!!

Der Sommer hatte es in sich: Fussball-WM, Bärenhatz, Libanonkrieg, japanische Thronfolger, die Gleichberechtigung erübrigen, Papstbesuch mit Papstwetter ... und aktuell nichts als interreligiöse Missverständnisse, neue Neonazis im Landesparlament, deutsche Soldaten gegen die Hisbollah.

Aber was verkündet Spiegel Online:
"Ahmadinedschad kündigt Lösung für alle Probleme der Welt an"

Wow! Echt? Toll!

Einmal werden wir noch wach - dann hält der iranische Präsident seine Rede vor der UNO.

Mittwoch, Juni 21, 2006

Urban Legends aus dem Wald

Wie geht es eigentlich Bruno, dem Bär? Alternativ JJ1. Gibt's den wirklich? Oder ist es ein zur falschen Zeit auflaufender Sommerloch-Füller?

Und diese finnischen Hunde haben sich den Pokal als Loser des Monats verdient. Mal ist zu heiß, dann verlieren sie die Spur wenn's regnet. Haben die bisher nur im abgeschlossenen, überdachten Zoogehege geübt?

Aber, glaubt man der Urban Legend der bayerischen Wälder, dann hat Bruno ja doch den Humor eines pubertierenden Jungbären. Setzt sich frech mitten in der Nacht in Kochel vor die Polizeiwache. Und dreht den Finnen damit schon wieder ne lange Bärennase. Und den bayerischen Ordnungshütern dazu.

Die Boulevardblätter rauschen schon, dass Bruno vielleicht sogar im Englischen Garten in München auftauchen könnte. Ja, klar. Am Samstag ist ja das Spiel gegen die Schweden. Da wird er sich bei nem kühlen Hellen (oder wahrscheinlicher einem Humpen Met) am Chinesischen Turm das Spiel anschauen wollen. Wahrscheinlich findet er Skandinavier irgendwie lustig und posierlich. - Und? Haben Sie's bemerkt? Laut WWF Meldung sind die "finnischen Hunde" (siehe dort) ja eigentlich schwedische Elchhunde. Na, dann ist doch jetzt wirklich alles klar, oder nicht?

Und wenn die Deutschen das Spiel gewinnen und einfach immer weiter gewinnen? Dann macht sich Bruno schon mal gemütlich auf nach Berlin. Oder würden Sie das offizielle Plakat anders interpretieren wollen? Und dann werden diese ganzen blöden Buddy-Bären, die in der Hauptstadt herumstehen, von den finnischen Kampfhunden platt gemacht. Und Bruno fährt nach dem Spiel wieder gemütlich nach Hause. Und meldet "mission accomplished"!

Und kurze Zeit später hören wir dann, dass bei Lenggries Leo, der Löwe gesichtet wurde. Tja. So ist das.

Freitag, Juni 16, 2006

Krass! Deutsche Wirtschaft bekennt sich zu Diskriminierung

Eigentlich ist es doch unfassbar: da tönt die deutsche Wirtschaft vehement gegen das geplante Gleichbehandlungsgesetz. Das heißt doch klar und deutlich: wir wollen weiter diskriminieren.

Verräterisch auch die ganzen Freudschen Versprecher in den Diskussionen mit Arbeitgebervertretern, etwa "das ja klar ist, dass die ganzen Unternehmer gegen Anti-Diskriminierung sind". Eben!!

Wobei der interessante Aspekt durchaus ist, dass die Privilegienträger und -verteidiger sich offensichtlich in ihrer diskriminatorischen Praxis durch das geplante Gesetz doch irgendwo bedroht fühlen, sonst würden sie doch nicht so laut tönen.

Sehr interessant auch, dass es immer nur die anderen sind, die angeblich Vorbehalte haben. Da kann der Handwerker keine Mitarbeiter mit Migrationshintergrund einstellen, weil die alten Leute eben angeblich (oder doch nur vermutlich -- um so ein anderes Vorurteil zu zementieren?) so oft Vorurteile gegen Ausländer haben. Man selbst hingegen ist total aufgeschlossen und tolerant und entscheidet natürlich nur aufgrund von Qualifikation. Genau! Logisch! Völlig klar! Deswegen sind auch so viele Menschen mit Behinderungen in den Betrieben beschäftigt und so viele Frauen oder Migranten in der Führungsebene tätig und deshalb ist der Anteil der Älteren unter den Langzeitarbeitslosen auch so gering und Mietinteressenten mit dunklerer Hautfarbe finden so rasch eine Wohnung und Homosexualität wird von allen als ganz normal anerkannt und so weiter.

So oder so: es ist einfach ein Skandal!

Freitag, Juni 09, 2006

Alte Liebe: Green Gartside ist zurück

Die Politik des Begehrens ist nach wie vor aktuell. Vielleicht ruhte sie einige Jahre im Verborgenen, aber sie wirkt weiter - und jetzt meldet sie sich im Pop zurück, im Pop, der auch politisch ist.

Der Mann, der mir Derrida und Gramsci näher brachte, ist zurück. Der Mann, der die schönsten Liebeslieder der 1980er Jahre schrieb, hat nichts verlernt.

Nix mit Blumfelds Apfelmännern, nein, Green Gartside verlangt nach Weißbrot und Schwarzbier und besingt den "Petrococadollar".

Ein feines Interview mit Paul Julian Strohmeyer aka Green Gartside aka Scritti Politti führte Thomas Winkler für die taz.

Nieder mit der Männerherrschaft! DFG und WLG fordern die Frauenquote!

Wunder gibt es immer wieder:
Der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), Professor Ernst Ludwig Winnacker, und der Präsident der Leibniz-Gemeinschaft (WGL), Ernst Rietschel fordern die Frauenquote für den Wissenschaftsbetrieb. "Wir müssen radikal so lange Quoten verlangen, bis ein Ausgleich erreicht ist - bis hin zu 50:50", sagt Rietschel. An deutschen Hochschulen sind lediglich 13% aller Professuren an Frauen vergeben, bei den C4-Lehrstühlen nur 8% und in den außeruniversitären Forschungseinrichtungen noch weniger.

Quelle: dpa, Meldung in der taz am 9.6.2006.