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Weihnachtspredigt 2025 bei den Schulschwestern in Wien.
Schon Papst Franziskus hatte zugesagt, dorthin zu reisen. Dann starb er. Papst Leo XIV. übernahm diese Zusage und reiste nach Iznik. Dort war es im Jahr 325 nach Christus zu einem politischen Thriller und einem heftig geführten theologischen Streit auf der obersten Ebene der jungen Christenheit gekommen.
Yasin überlebt knapp einen islamistischen Anschlag. Doğus verliert seine Schwester Tuğçe nach ihrer Zivilcourage. Zwei Schicksale – wie können sie ihren Hass überwinden?
Absolut sehenswerter Film der ZDF-Redaktion 37-Leben. Hier gehts zum Film!
Predigt beim Auferstehungsgottesdienst für Heinz Nussbaumer, Hinterbrühl, 15.11.2025
Als über Annemarie Fenzl die Anfrage zu mir kam, ob ich beim Auferstehungsgottesdienst mit der Trauergemeinde in der Pfarrkirche Hinterbrühl konzelebrieren möchte, zögerte ich nicht und sagte h ohne lang nachzudenken Ja, adsum, bin bereit. Ich hatte in den letzten Jahren Heinz des Öfteren getroffen. Er hatte mich zu einem Vortragsabend nach Hinterbrühl eingeladen. Rundherum gab es feine Gespräche. Wir hatten uns gegenseitig ein wenig tiefer erahnt und noch mehr als zuvor schätzen gelernt.
Dann ging ich daran, sein Leben und Wirken zu meditieren. Ich rief seine Frau Uschi an. Sie erzählte, ich fragte nach. Und nach einer Stunde meine Frage: Und sein Leben mit einem Wort? „Ein Gesamtkunstwerk“, sagte sie umgehend.
Da war mir klar, dass ich diesem Gesamtkunstwerk in sieben Minuten unmöglich gerecht werden kann. Ich muss mich begrenzen.
Dabei kam mir ein Gedicht von Rainer M. Rilke zupass. Dieses trägt den Titel „Ich liebe dich, du sanftestes Gesetz“, um dann fortzufahren: „an dem wir reiften, da wir mit ihm rangen. Du großes Heimweh, das wir nicht bezwangen, du Wald, aus dem wir nie herausgegangen, du Lied, das wir mit jedem Schweigen sagen, du Netz, darin sich flüchtend die Gefühle fangen“.
Und dann die Passage, die mir die Struktur über meine Meditation des aufregenden Lebens von Heinz bescherte:
„Du hast Dich so unendlich groß begonnen An jenem Tage, da Du uns begannst, und wir sind so gereift in deinen Sonnen so breit geworden und so tief gepflanzt, dass du in Menschen, Engeln und Madonnen dich ruhend jetzt vollenden kannst.“
So breit geworden
Unglaublich, wie der 1943 geborene und auf Heinz getaufte Knabe herangereift ist. Sein Kunstwerk Leben ist im Lauf der Jahre breit geworden. Ohne Vater, aber mit vielen väterlichen Menschen am Lebensrand, ist ein Mann aus ihm geworden, dem es buchstäblich um Gott und die Welt ging.
Vielleicht hat ihn das Studium der Theologie dabei inspiriert. Es hat ihn zu einem Neugierigen gemacht, der im besten Sinn „katholisch“ war, und dies nicht in einem engen konfessionellen, sondern einem breiten universellen Sinn – kath‘holon eben, alles umfassend. Das schaffte er, ohne das Lokale zu vergessen. Nationalismus war ihm fremd. Er war in einem Österreicher, Europäer, vor allem aber ein Weltbürger. Er war in Hinterbrühl genauso zuhause wie im Nahen Osten. Er engagierte sich in der Pfarrgemeinde Hinterbrühl ebenso wie er Wurzeln auf dem Berg Athos schlug. Wirklich katholisch zu sein bedeutete für ihn auch offen für das Gemeinsame zu sein. Nicht nur zwischen den zerrissenen christlichen Kirchen, sondern auch den großen Weltreligionen, zumal der abrahamitischen Religionen und hier wieder dem Islam. Er war ein Pilger zwischen so vielfältigen Welten. Er versuchte diese zu verstehen. Baute Brücken.
Seine Botschaften wurden gehört. Er beriet Bundespräsidenten und Kirchenmänner wie Kardinal Franz König. Und vor allem erklärte er als einer der führenden Journalisten des Landes den Menschen diese komplizierte und taumelnde Welt, in der sich jene, die unter die Räder der Armut und des Krieges kommen, nach Gerechtigkeit und Frieden sehnen.
Hatte Kardinal Franz König in seiner historischen Rede vor dem Gewerkschaftskongress erklärt: „Ich bin kein politisierender Bischof, aber ich bin ein politischer Bischof“, so war auch Heinz Nussbaumer ein politischer Mensch mit weltpolitischem Weitblick. „Und wir sind so gereift in deinen Sonnen: so breit geworden…“
So tief gepflanzt
Und dann fährt Rilke fort: „so tief gepflanzt“.
Das Leben hat Heinz viel abverlangt. Die Tätigkeiten, die er übernommen hatte, forderten ihn gewaltig heraus. Die Verantwortung für Medien wie Kurier oder Die Furche erlaubte Heinz kein geregeltes Leben mit Freizeit und Familienzeit. Er hätte zwar ohne Familie und den Rückzug in diese nicht überlebt. Aber seine Frau Uschi und die Kinder kamen wohl etwas zu kurz.
Auch die Arbeit in der Präsidentschaftskanzlei zwischen 1990 und 1999 war ein Rundumjob: Dem politischen Geschäft ist Sonntagsruhe nicht unbedingt heilig. Überdurchschnittlich gut entwickeltes Pflichtgefühl gepaart mit grenzenloser Hilfsbereitschaft verschärften den Stress. Heinz spürte das. Er wollte einmal seine Arbeit beim Bundespräsidenten Thomas Klestil kündigen. Das fertige Schreiben aber war jahrelang, unabgegeben, schubladiert. Dafür hat er, wie er erzählte, für beide Bundespräsidenten in den zehn Jahren 863 Reden geschrieben.
Bei all dem beruflichen Dauerstress erfreute sich Heinz keineswegs bester Gesundheit. Er musste viele und immer schwerere Operationen über sich ergehen lassen. Der Psalm 90 ist angemessen: „Die Zeit unseres Lebens währt siebzig Jahre, wenn es hochkommt, achtzig. Das Beste daran ist nur Mühsal und Verhängnis, schnell geht es vorbei, wir fliegen dahin.“ (Psalm 90,19) Heinz wusste um seine Zerbrechlichkeit. Er konnte in Jubel ausbrechen, wenn er wieder einmal wie durch ein Wunder überlebte. Beispiel: Sein Autounfall vor geraumer Zeit. Darauf schickte er mir in einer Email vom 12. August 2025, verfasst zu der für ihn charakteristischen Zeit um 22:59, folgenden Unfallbericht:
An einem sehr heißen Sommertag bin ich am Lenkrad meines Autos unmittelbar vor Hinterbrühl plötzlich bewusstlos in einen geparkten LKW gefahren – Totalschaden! Als ich halbwegs wach wurde, war ich von Polizei, Feuerwehr und Rettung umstellt, die einen schweren Alko-Lenker vermutete – es waren aber 00,00 Promille – und 1 Woche Krankenhaus („Verdacht auf Schlaganfall“, und am Ende eine „ischämische Attacke“). Damit war ich für den Salzburg-Abstecher zu wackelig – leider…Und: Das Auto war weg – und der Führerschein auch. Aber: „Hurra, ich lebe noch!“
Annemarie Fenzl hatte zur Verleihung des Stephanusordens in Gold eine einfühlsame Laudatio für Heinz gehalten. Dabei stellte sie die Frage, wie der Geehrte diese enormen Leistungen in Welt und Kirche vollbringen konnte. Woher nahm er seine Kraft? Die Antwort Rilkes: „so tief gepflanzt“. Heinz war zwar ein treuer Katholik, feierte wenn er konnte mit seiner Pfarrgemeinde. Aber er konnte auch andeuten, dass er mehr ein Suchender sei denn einer, dem felsenfester Glaube geschenkt sei. Sein Suchen war auch mit einer gerüttelten Skepsis gepaart: Ob Liebende einander wirklich wiedersehen werden, konnte er schon einmal fragen.
Aber er hörte wegen seiner Zweifel nicht auf zu suchen. Es war ihm zunächst eher beiläufig geschenkt. Die Männer einer Familienrunde in der Hinterbrühl besuchten den Berg Athos. Heinz war mit dabei. Er erlebte die Stille des heiligen Berges, die Feierlichkeit der orthodoxen Liturgie, den Duft des Weihrauchs, die meditativen Gespräche mit Mönchen. Heinz wurde zum Pilger. 38-mal war er auf dem heiligen Berg. In dieser Zeit ist auch seine Freundschaft mit Hubert von Goisern gewachsen. Dieser erzählte dieser Tage selbst in DIE FURCHE[1] davon:
„Siebenmal hatte ich das Glück, an seiner Seite die griechisch-byzantinische Mystik kennenzulernen. Einzutauchen in eine von Chorälen, Kerzenduft und Weihrauch durchtränkte Welt der Gebete. Ein Geschenk, aus seinem Munde die tausendjährige Geschichte der Klostergemeinschaften erzählt zu bekommen. Heinz war voller Geschichte und Geschichten, und er war ein großartiger Erzähler. Unvergessen die abendlichen Stunden am Balkon unseres Klosters. Das Meer zu Füßen, den fliegenden Tanz der Schwalben vor Augen, in uns und die Welt hineinhorchend, einander Geheim- erzählend, uns offenbarend.“
Aus dem gestressten Mann wurde nach und nach ein Pilger. War da etwas vom großen Heimweh, das auch Heinz nie bezwungen hat? Jedenfalls war der Athos für ihn heilsam. Seine berufliche Welt war zugedröhnt. Auch er konnte leicht gotttaub werden. Die leise Musik Gottes war dann nicht mehr so leicht zu hören. In der Stille der Athosklöster hingegen sehr wohl. In der Liturgie wurde der Himmel heruntergesungen. Dieser erfüllte die Feiernden. Wer hinausging, trug ein wenig von diesem Himmel in sich. Wohl auch Heinz. So konnte die Welt, in und für die er wirkte, allein durch seine Gegenwart himmlischen, also menschlicher werden.
Darin setzte sich Jesu Traum fort. War doch seine Mission, den Himmel auf die Erde zu singen. Aber war dieser Himmel nicht von allem Anfang in Heinz? Konnte Rilke deshalb singen: Du hast dich so unendlich groß begonnen, an jenem Tage, da du uns begannst? Könnte mit dem Du im Gedicht Rilkes Gott und sein Himmel gemeint sein?
Heinz wurde in den letzten Jahren zu einem diskreten Mystiker. Wie er in seinem Kultbuch „Der Mönch in mir“ schrieb, lernte er in der Schule der mönchischen Mystik Dankbarkeit und Staunen. Um mit einem Zitat aus diesem seinem am meisten tiefschürfenden Buch zu schließen: Nun kann er „ausruhen unter dem Baum Gottes“. Und das jenseits von Raum und Zeit, von Leid, Tränen und Tod.